Neutour am Geierkopf - "Adieu Konni" M8, WI4, 400m
Petzl Athlet Dario Haselwarter hat Mitte Februar eine Neutour am Geierkopf in den Ammergauer Alpen erstbegangen. Die Schwierigkeiten von "Adieu Konni" liegen bei M8, WI4, 400m. Das besondere an der Route: Sie ist komplett clean. Gemeinsam mit Simon Messner beging Dario die Tour im Februar zunächst in teils technischer Kletterei. Im März 2016 konnte er dann zusammen mit Petzl Teamkollege Xari Mayr alle Seillängen rotpunkt klettern. Hier erzählt Dario die Geschichte hinter der Erstbegehung und der Namensgebung.
31 März 2016
Bergsteigen
In der ersten Seillänge von "Adieu Konni".
Es ist Mitte Februar und Simon und ich spuren durch knietiefen Schnee in Richtung Geierkopf Nordwand. Schon vor zwei Jahren war mir, bei der Wiederholung des vom nimmermüden Neulandsucher Ralf Sussmann eröffneten Midwinter Gullies, eine mögliche Linie aufgefallen. Rechts des tief eingeschnitten Midwinter Gullies befindet sich eine abweisende Wand, welche im unteren Teil durch eine logische Serie aus Rampen und Couloirs durchzogen wird, die in einem kleinen Überhang enden.
Nach circa einer Stunde des Zustiegs kommen wir an der sogenannten Eisbox vorbei. Einer der wenigen eisigen Winkel im Ammergau, an dem sich jeden Winter verlässlich kletterbares Eis formt.
Hier war ich vor vielen Jahren mit Konni Staltmayr aus Peißenberg beim Eisklettern gewesen.
Links: Blick auf die ersten drei SL von "Adieu Konni". Rechts: Im Vordergrund die Eisbox, im Hintergrund die neue Linie.
Nach fast drei Stunden schweißtreibenden Zustiegs, in dem wir uns mehr als einmal Schneeschuhe herbei wünschen, stehen wir am Fuß des Objekts unserer Begierde. Die ersten zwei Seillängen lösen sich trotz der stellenweise etwas diffizilen Absicherung gut auf und wir kommen schnell unter den besagten Überhang, welcher sich schon im Zustieg als Schlüsselstelle der Tour angedeutet hat.
Dario in einer Schneepassage (links) und der M6+ Stelle in der zweiten SL (rechts)
Simon bezieht an einer fetten Sanduhr Stand und wir beäugen etwas argwöhnisch den Weiterweg. Wir haben zwar einen kleinen Handbohrer und zwei M8-Bolts dabei, diese sollen aber nur im absoluten Notfall zum Einsatz kommen.
Behängt mit allem Material mache ich mich an den Vorstieg der Länge. Nach einer schönen Verschneidung endet mein Onsight-Vermögen an dem Abschlussdächlein. Zuerst versuche ich das Hindernis mit einem Linksquergang zu überwinden, aber der Fels erweist sich als zu geschlossen und ich muss mir in technischer Kletterei den direkten Weiterweg erschwindeln. Nach einigen, zumindest für mich als Nur-Gelegenheits-Techno-Kletterer, spannenden A2-Metern kann ich meine Eisgeräte im Styropor-Schnee, des darüber liegenden Couloirs versenken und dort einen Stand basteln.
Oben: Standplatzkrake im Einsatz. Mitte: Kurz vor der Crux. Unten: Techno-Kletterei (A2) bei der Erstbegehnung
Simon kommt mit dem Rucksack zügig nach, während ich unserem Stand gut zurede, denn natürlich hängt der rote Cam, der hier perfekt passen würde, fünfzehn Meter unter mir.
Der Weiterweg gestaltet sich zwar deutlich leichter als die vergangenen Meter, aber bei spärlicher Absicherung und großzügiger Pulverschnee-Auflage sorgt die folgende M5-Länge noch einmal für Spaß bis zum Schluss.
Nach fünf Seillängen wälzen wir uns in den flacheren Teil der oberen Wand. Hier verschwindet das Seil über der Schulter und dort bleibt es auch, abgesehen von einer kurzen M4-Stufe, bis zum Schluss.
Im oberen, flacheren Teil
Der Abstieg, den wir im oberen Teil teils abkletternd, teils abseilend bewältigen, führt zu einigen Kontroversen bezüglich der Qualität der Abseilstände. Lösen können wir die Sicherheitsdiskussion erst, indem es uns in Wandmitte gelingt im Dunklen zu den gebolteten Ständen des Midwinter Gullies hinüber zu queren.
Nach einem verflucht langen Abstieg fallen wir gegen zehn Uhr abends endlich erschöpft in die Sitze unseres Autos. Und als wir uns um elf in Garmisch den verdienten Burger rein ziehen, sind wir die wohl zufriedensten Menschen im ganzen Oberland. Wir haben das gleiche Lachen im Gesicht, wie es auch Konni hatte, wenn er von den Big Walls im Yosemite oder vom Klettern mit seiner Frau in Australien erzählte. Oder wenn er ein bisschen zum Pickeln ins Ammergau ging. Oder vielleicht auch wie wenn er jetzt von oben herunter schaut und sich freut, dass auch für die nachfolgende Generation noch Raum für die ein oder andere Alltagsflucht in den Bergen ist.
Zwei Wochen später konnte ich mit Xari die gesamte Tour rotpunkt durchsteigen. Als wir uns am Gipfelgrat die Hände reichen, belohnt uns der Geierkopf noch einmal mit demselben Glücksgefühl, welches er Simon und mir bei der Erstbegehung geschenkt hatte.
Facts zu "Adieu Konni"
Erstbegeher: Simon Messner und Dario Haselwarter
Erste Rotpunktbegehung: Xari Mayr und Dario Haselwarter
1.Sl M6 – 60m
2.Sl M6+ WI4 - 45m
3.Sl M8 WI4 oder M6 A2 – 25m
4.Sl M5 – 30m
5.Sl M4 – 60m
Danach seilfreies Stapfen bis zum Grat bis Schnee 50°, unterbrochen durch eine gutmütige, kurze M4-Stufe
Absicherung: Die Tour wurde clean erstbegangen. Es wurde eine Sanduhrschlinge in der Schlüsselseillänge belassen.
Bei technischer Kletterei kann ein Birdbeak in der Schlüssellänge von Nutzen sein.
Bei Rotpunktambitionen empfehlen wir einen kompletten Satz C4 0,3 bis 4, wobei die Größen 0,5 bis 1 doppelt mitgenommen werden können. Der ein oder andere Stand kann mit einem Normalhaken verbessert werden.
Zustieg: Der Zustieg erfolgt gleich wie beim Midwinter Gully. Der Einstieg befindet sich circa 50m rechts oberhalb des Einstiegs des Midwinter Gullies. Je nach Schneelage können Schneeschuhe von Vorteil sein. Ski lohnen sich eher nicht, da man relativ viel durch Bachbetten und Latschengürtel aufsteigt.
Abstieg: Im leichten oberen Teil durch Abklettern und an der M4-Stufe 2x Abseilen an Block und Eissanduhr. Nach ca. 200Hm im Abstiegssinn rechts haltend hinüber queren zum Midwinter Gully und über dieses abseilen, wobei hier, v.a. im Dunkeln, eine Kenntnis der Tour von einer vormaligen Begehung nicht von Nachteil ist. Gerade bei hoher Schneelage kann es sein, dass nicht alle Stände gefunden werden und man Material opfern muss.
Dario Haselwarter im März 2016
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